Natürlich war die italienische Musik am österreichischen Kaiserhof kein „Schmarrn“, sondern, wie auch die berühmte Mehlspeise, von erlesenem Geschmack und höchster Qualität – und (sehr zu Unrecht, wie ich meine) beliebter als die Kompositionen der österreichischen Musiker am Hofe. Fast immer handelte es sich dabei um Opern. Man liebte eben die Dramatik, die Darstellung von Konflikten und Leidenschaften, von Intrigen, Liebe und Tod. In all dem waren die Italiener unbestrittene Meister.
Am 12. Dezember 1666 heiratete Kaiser Leopold I. die spanische Infantin Margarita Theresia, ein fünfzehnjähriges Mädchen, das gleichzeitig seine Cousine und seine Nichte war – der absurdeste Inzest im Dienste der habsburgischen Heiratspolitik! Zeitlebens sprach Margarita ihren Ehemann mit „Onkel“ an! Ihr liebreizendes Portrait, gemalt von Velasquez kann man im Wiener Kunsthistorischen Museum bewundern. Sie gebar ihrem überaus häßlichen Gemahl (die Wiener würden ihn wahrscheinlich einen „Ungustl“ nennen) in sechs Jahren sechs Kinder, von denen nur drei am Leben blieben. Die sechste Geburt überlebte sie nicht. Margarita starb mit einundzwanzig Jahren.
Diese Zeilen haben nichts mit Musik zu tun, das ist mir bewusst; doch blutet mir das Herz, wenn ich über das Schicksal der Frauen in jener Zeit, das so oft verschwiegen wird, nachdenke!
Anläßlich dieser Hochzeit wurde zum ersten Mal in der Geschichte eine italienische Oper nördlich der Alpen aufgeführt: “Il Pomo d’oro” (“Der goldene Apfel”) von Antonio Cesti, seines Zeichens Franziskanerpater und Hofkapellmeister, doch Teile der Oper stammen aus der Feder des Kaisers persönlich!
Der Inhalt der Oper lehnt sich an die griechische Sage an: Der Göttervater Zeus überreicht den goldenen Apfel jener wunderbaren Frau, die die drei Göttinen Juno, Athene und Aphrodite an Grandezza, Geist und Schönheit übertrifft: Margarita von Spanien. (Vgl. Kramar/Stuiber, 1999: 86)
Für die Aufführung wurde auf der „Cortina“, dem Platz der heutigen Nationalbibliothek gleich neben der Hofburg, ein eigenes Theater errichtet. Die Hochzeitsfeierlichkeiten dauerten von Dezember bis zum Beginn der Fastenzeit und kosteten 100 000 Gulden (um Vergleich: Das Jahresbudget des Hoforchesters betrug 50 000 Gulden!)
Leopold I., der „Türkenpoldl“, der mit der Türkenbelagerung im Osten und mit dem beginnenden spanischen Erbfolgekrieg konfrontiert war, war, wie auch sein Sohn Karl VI ungern Kaiser. Er hasste es, Entscheidungen treffen zu müssen und hätte sich viel lieber der Musik und den schönen Künsten gewidmet. Er war ein ausgezeichneter Flötist und komponierte nicht weniger als 230 Werke: u.a. acht Oratorien, 80 kirchliche Kompositionen, neun „feste teatrali“, 17 Bände Ballette und drei Deutsche Singspiele.
Mit Antonio Cestis “Il pomo d’oro” begann der Siegeszug der italienischen Oper am Kaiserhof und den österreichischen Adelshäusern und sollte bis zum Ende des 18. Jahrhunderts dauern! Den absoluten Höhepunkt erreichte die Gattung mit einem österreichischen Komponisten: Wolfgang Amadeus Mozart. Seine drei Opern “Le Nozze di Figaro”, “Cosi fan tutte” und “Don Giovanni” gehören zu den grandiosesten Werken der Musikliteratur. Die Libretti verfasste ein Italiener: Lorenzo da Ponte. Seine Texte sind ebenso genial wie die Musik Mozarts!
Doch bis dahin haben viele Italiener am Kaiserhof Karriere gemacht, die heute großteils in Vergessenheit geraten sind. Von ihnen handelt das nächste Kapitel “Kaiserschmarrn alla italiana 2”: https://www.musikclub.or.at/kaiserschmarrn-alla-italiana-teil-2/
Natürlich diente die Oper vor allem der Machtdemonstration und der Prunkentfaltung des Kaiserhauses. Trotz notorisch leerer Staatskassen wollte Leopold um nichts in der Welt seinem ewigen Konkurrenten Ludwig XIV nachstehen. Noch teurer als die Oper war das berühmte „Rossballett“, zu dem Heinrich Schmelzer, seines Zeichens Hofkapellmeister ab 1679, die Musik schrieb. Ein Jahr später wurde Schmelzer ein Opfer der Pest. Das „Rossballett“ war ebenfalls ein Teil der Hochzeitsfeierlichkeiten und kostete 350 000 Gulden! Die Proben hierfür dauerten wochenlang – zum Vergnügen der Wiener, die dem allegorischen Spektakel vom Straßenrand aus zuschauen konnten. Hier sehen Sie ein kurzes Beispiel eines barocken Rossballetts, das bei der “Styriate” 2017 zur Aufführung kam (Vgl. Kramar/Stuiber, 1999: 85-95):
Wenn Sie mehr über italienische Opern zur Zeit Karls VI und Maria Theresias erfahren wollen, sind Sie herzlich eingeladen, das nächste Kapitel “Kaiserschmarrn alla italiana. Teil 2.“ zu lesen. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen!
Weiter zum “Kaiserschmarrn alla italiana. Teil 2”: https://www.musikclub.or.at/kaiserschmarrn-alla-italiana-teil-2/
Literaturverzeichnis
Konrad Kramar/ Petra Stuiber, Die schrulligen Habsburger, Wien,1999